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Stadthaus Gundeldingerstrasse

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Ganzheitlicher Ansatz

Projektverfasser wie Bauherrschaft wollten zeigen, dass und wie alter Gebäudebestand ganzheitlich nachhaltig erhalten, erneuert und ergänzt werden kann. Das Projekt sollte von den Lösungsansätzen wie vom Prozess her Modellcharakter haben für spätere Projekte.

Alle Aspekte der Nachhaltigkeit wurden anhand der SIA-Norm 112/1 systematisch auf Ausgangslage und Potential geprüft. Anschliessend wurde von der Bauherrschaft eine Priorisierung und Schwerpunktsetzung vorgenommen (vgl. →Tabelle).

 

Soziales

Bei Beginn war das Objekt von 3 Parteien belegt. Einem jüngeren Mieter wurde ein halbes Jahr im voraus gekündigt. Mit den beiden älteren langjährigen Mieterinnen wurde vereinbart, dass sie während des gesamten Umbaus im Haus bleiben können. Diese dauernde Bewohnbarkeit bestimmte den Bauablauf wesentlich und verursachte auch Zusatzkosten. Dem gegenüber standen aber auch Nutzen wie die laufende „Überwachung“ der Baustelle, persönliche Kontakte zu den Unternehmern mit dem Effekt der Schonung der erhaltenswerten Substanz. Durch laufende Information und Rücksprache konnte auf Bedürfnisse der Mieterinnen eingegangen werden (z.B. Dusche statt Badewanne) und sie auf ihr neues Zuhause eingestimmt werden.

Durch Schaffen zusätzlicher Wohnfläche (Anbau und Ausbau Dachstock), einem einfachen funktionalen Ausbaustandard mit Erhalt alter Bauteile und Oberflächen, deutlichen Einsparungen bei den Nebenkosten konnte die Steigerung des Bruttomietzinses auf ca. 20% gehalten werden.

 

Ökonomie

Im Bereich der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit wurde wo nötig und möglich die Gebäudesubstanz verbessert (Anbau in Beton zur Verbesserung des Erdbebenschutzes, diverse, z.T. freiwillige Brandschutzmassnahmen).

Bei den Neubauteilen wurde auf die Systemtrennung (Trennung von Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur) geachtet. Ein alter Kamin wurde bewusst belassen, ohne dass er aktuell eine Funktion erfüllt, um spätere Nutzungen (durchgehende Steigzone) zu ermöglichen und auch weil Abriss-, Entsorgungs- und Anpassungsleistungen eingespart werden konnten.

Bei der Wahl von Materialien wurden vor allem auf die Lebenszykluskosten abgestellt und keine Verbundsysteme gewählt (Entsorgungsthematik).

Die Eingriffe in die alte Bausubstanz erfolgten minimal und sehr behutsam. Hier spielte der Faktor Zeit eine grosse Rolle: bewusst wurde sich viel Zeit genommen für den Umbau. Dabei konnte der zeitliche und finanzielle Mehraufwand infolge dauernder Bewohnbarkeit zweier Wohnungen durch minimale laufende Mietzinserträge teilweise kompensiert werden.

Bei der Vergabe der Arbeiten wurde fast durchwegs auf regionale, inländische Klein-Unternehmer gesetzt, denen gegenüber der Nachhaltigkeitsansatz immer thematisiert und sie darauf verpflichtet wurden (Behutsamkeit im Eingriff, Entsorgung Bauabfälle etc.).

Das äusserst anspruchsvolle Bauvorhaben konnte aber auch nur deshalb wirtschaftlich umgesetzt werden, weil immer wieder nach kreativen Umsetzungen und Vorgehensweisen gesucht wurde:

 

- So stellten die Bauherren direkt einen arbeitslosen Maurer ein. Dieser übernahm während anderthalb Jahren alle zeitintensiven Arbeiten: Rückbau, Aushub (welcher aus baulogistischen Gründen nicht maschinell möglich war), Lehmbauarbeiten etc.

- Diverse (vor allem einfachere) Arbeiten wurden in Eigenleistung oder mit Unterstützung von Bekannten erledigt.

- Die im Projekt entwickelten Aufhängehacken für die Schieferfassade (Auswechselbarkeit jeder einzelnen Platte) und Metallverbindungsteile für die Balkone wurden als Kleinserie durch Insassen einer Strafanstalt hergestellt.

- Statt einer Einzelherstellung eines Wärmetauschers für die Abwasserwärmerückgewinnung wurde ein einfacher Güllenschlauch (PE-Rohr) im Erdspeicher verlegt.

- Etc.

 

Ökologie

Im Bereich Umwelt stand zum einen das ganze Energiekonzept (vgl. → dort) und zum anderen die Wiederverwendung zurückgebauter Bauteile im Vordergrund: jedes im Rahmen des Umbaus zu entfernende Bauteil wurde hinsichtlich seiner Wiederverwendung geprüft und nach folgender Priorisierung eingestuft:

 

1. Wiederverwendung auf der Baustelle

2. Weitergabe zur direkten und späteren Wiederverwendung (Direktinteressenten, Bauteilbörse)

3. Geordnete Entsorgung

 

Gesamthaft konnten so ca. 40 Tonnen Material wiederverwendet werden. Beispiele dazu sind:

 

- In „Bausteine“ aufgeschnittene Betonbalkone und Hofboden zu Gartenmauer

- Ziegelsteine aus Abbruch in neuen Giebelwänden

- Dachsparren als Deckenträger im Dachgeschoss

- Dachziegel als Speichermasse bzw. zur besseren Phasenverschiebung in DG-Decke

- Alte Isolierfenster als Aufgang Atelier

- Balkongläser als Küchentablare oder interne Badezimmerfenster

- Abbruchmaterial mineralisch als zusätzliche Speichermasse in Böden

 

Aber auch die Materialien für Neubauteile wurden wo immer möglich aus erneuerbaren Rohstoffen gewählt. Sowohl für Konstruktionen und Isolation wie für Oberflächen wurden unbehandelte, natürliche Baustoffe und ökologische Farben verwendet.

Der ursprünglich zu mehr als der Hälfte versiegelte Hof im Süden wurde renaturalisiert und zusätzlich wird neu das gesamte Regenwasser des Süddaches dort versickert, wozu in Form von Terrassierungen Retentionsflächen geschaffen wurden.

Hof, Vorgarten inkl. begrüntes Dach des Velounterstandes sind mit alten und bedrohten Pflanzenarten bepflanzt.