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Stadthaus Gundeldingerstrasse

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Ausgangslage

Das kleinere MFH steht in einer Zeilenbebauung im Gundeldingerquartier, welches zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „Bähnler“-Quartier im Schachbrettmuster entstand. Der schlichte Jugendstilbaute stand nicht unter Schutz, so dass auch ein Neubau in Frage kam.

Das 4-geschossige Haus befand sich in wesentlichen Teilen im Originalzustand, wobei in den 80-er Jahren die Etagen-WCs durch kleine, wohnungsinterne Bäder ersetzt, die Küchen daher verkleinert und mit Einbauküchen versehen wurden. Energetisch wurden einzig die alten Fenster durch Isolierglasfenster ersetzt.

Die Nutzung der Räume der vier 2-Zimmerwohnungen war auf die nördliche Strassenfassade orientiert (Wohnen, Essen), Treppenhaus und Schlafen im Süden.

 

Motivation und Ziele

Projektverfasser und Bauherrschaft wollten zeigen, dass und wie ein alter Gebäudebestand erhalten und auf zeitgemässe Energie- und Wohnstandards gebracht werden kann.

Formgebung, Konstruktion, Ökonomie, Ökologie, Soziales und Bauorganisation wurden von Anfang an gleichwertig, im Sinne eines ganzheitlichen Denkens, behandelt.

Die Liegenschaft sollte umfassend, ganzheitlich und nachhaltig saniert werden (siehe auch →Nachhaltigkeit). Als Hauptziele wurden folgende definiert:

 

- hoher Energiestandard: Null-Energie-Haus sowie Co2-Neutralität.

- Einfache aber dauerhafte Lösungen (Struktur, Gestaltung/Materialisierung und Technik), weil diese wirtschaftlich langfristig tragfähiger (Life-Cycle-Cost) sind und architektonische Qualitäten beinhalten.

- Berücksichtigung der  Mieterschaft (Einbezug in Prozess, kein Wohnunterbruch, keine wesentliche Steigerung des Mietpreisniveaus)

- Ressourcenschonung (tiefe graue Energie, “Recycling auf der Baustelle)

 

Raumprogramm

Die Einhaltung der gesetzten Ziele war nur dadurch möglich, dass zusätzliche Wohnfläche geschaffen und die bestehende Nutzung verbessert werden konnte. Dazu wurden folgende Massnahmen getroffen:

 

- Erweiterung Gebäudetiefe um den baurechtlich möglichen Meter in Südrichtung (Öffnung Südfassade)

- Erneuerung des Dachstockes zur Nutzung 1. DG (Wohnen/Schlafen) und 2. DG (Estrich)

- Verlegen Wohnen/Küche in Süden mit Balkon; Schlafen nach Norden

- Flexiblere Nutzungsmöglichkeiten der Räume wohnungsintern und 2 flexibel nutzbare Räume im EG. Dies ergab folgendes Raumprogramm (von ursprünglich 4 Zwei-Zimmerwohnungen à 53 m2):

 

· UG: Heizung, WK, Keller

· EG: Zimmer mit Nasszelle und separates Zimmer

· 1. & 2. OG: 2-Zimmerwohnung à 60 m2

· 3. OG und DG: Vier-Zimmer-Maisonette-Wohnung à 105 m2

· 2. DG: Atelier/Estrich

 

Statische Massnahmen und Brandschutz

Anbau im Süden aus Beton zur Verbesserung der Erdbebensicherheit und als Energiespeicher für direkte Wärmegewinne. Zur Sicherstellung der dauernden Bewohnbarkeit von 2 Wohnungen während des Umbaus wurde dieser Anbau zuerst erstellt und musste mittels „Nocken“ die Deckenbalken abfangen, da die alte Fassade erst später zurückgebaut wurde.

Das Haus wurde an die geltenden und im Zusammenhang mit dem zusätzlichen Geschoss erhöhten Brandschutzvorschriften angepasst.

 

Entwurfskonzepte und architektonische Umsetzung

Konzept I: Das Stadthaus als Schnittstelle zwischen kulturellen und physischen Bedürfnissen - Strasse-Hof als Antagonismus Stadt-Land – Primär ein Aussenraumkonzept mit klarer Formulierung eines repräsentativen Strassen- und eines privaten Gartenraumes – Hoffassade mit Balkonanlage als Teil der Gartenanlage – Spalier – Naturnaher Garten – Hochbeete – Beschattungssystem durch Pflanzenbewuchs

Konzept ll: Geht von der Weiter- und Wiederverwertbarkeit bestehender Bauteile aus. Das Ökonomisch und ökologisch gesehen „Naheliegende“ soll geprüft werden auch wenn es der herrschenden Praxis widerspricht. Das Haus als Entwicklungsobjekt das ständig verbessert werden kann. Keine Konglomerate und Kompaktbauweisen - alles ist zerlegbar - rückbaubar. Aufgabe der Gestaltung wird es sein, eine einfache formale Einheit zu schaffen, die dem Haus und seinem Platz in der Stadt gerecht wird.

Strasse: Der Entwurf folgt dem gängigen Schema einer städtischen Architektur, in der die Strassenfassade als repräsentative Schauseite und die Hoffassade als funktionales Element verstanden wird. Das an der Strasse liegende öffentliche Gesicht des Hauses ist durch eine gewisse Strenge in Material und Form bestimmt. Die neue Fassade übernimmt die Gliederung der alten Fassade und reduziert diese auf ihre Proportionen. Die Schieferverkleidung der Fassade und die Holz-Metallfenster stehen für Langlebigkeit und Alterung in Würde.

Hof: Die ruhige Hofseite ist gegen Süden gerichtet und bietet ideale Voraussetzungen für eine offene Fassade die sich an den Bedürfnissen Ruhe und Erholung orientiert. Die Balkonanlage wurde in Analogie zu einem Fassadenspalier für Pflanzen entworfen und soll mit der Zeit auch diese Funktion übernehmen.

Balkon: Die leichte Konstruktion mit aufgelösten Stützenbündeln gewährleistet möglichst viel Sonne auf den Balkonen und speziell im Winter auch in den Wohnzimmern und Küchen. Das Material Holz entspricht auf mehreren Ebenen der angestrebten Nachhaltigkeit, dazu gehört auch, dass die ganze Konstruktion ohne Kran in einer Woche montiert wurde und dass jedes einzelne Teil (ohne Gerüstungen) jederzeit ausgewechselt  werden kann. Eine weitere Funktion kommt dem Balkon als sommerlicher Sonnenschutz zu.

Garten: Für den Gartenraum wurden möglichst viele Materialien, die durch den Umbau frei wurden, verwendet. Alte Dachziegel und Betonsteine aus den zerschnittenen Betonbalkonen sind mit Lehm aus dem Aushub vermauert um eine terrassenförmige Anlage zu errichten, die als Retentionsbecken für das Dachwasser funktioniert.

Innenräume: Im Zuge der Neuorganisation der Grundrisse (Küche Wohnen nach Süden ausgerichtet) wurden die Räume fliessend verbunden und auf die Balkone geöffnet. Das für den damaligen Baustandard typische Treppenhaus im Jugendstil konnte integral erhalten werden.  Alle Oberflächen wurden wo immer möglich erhalten oder freigelegt und erneuert. Neubauteile konnten so vom Bestand abgesetzt und entsprechend den aktuellen Anforderungen materialisiert werden.

Materialien: Für alle Konstruktionen und Oberflächen wurden wenn immer möglich unbehandelte, natürliche Baustoffe und traditionelle Farben oder Öle verwendet.